Quo vadis E-Government – angestaubte Idee oder Garant für Verwaltungsdigitalisierung?
Wirft man einen Blick auf die Verwaltungsgazetten des Landes, so ist der Befund eindeutig: die Themen OZG-Umsetzung, IT-Konsolidierung Bund, Arbeit 4.0 und Digitale Souveränität bestimmen die öffentliche Diskussion über die Verwaltung der Zukunft. Dagegen wirkt der Begriff E-Government beinahe aus der Zeit gefallen. Und das obwohl die E-Government-Themen die grundlegende Voraussetzung für alle genannten Vorhaben der Verwaltungsmodernisierung darstellen. Hinzu kommt: in den letzten zehn Jahren ist im deutschen E-Government viel geschehen. Nicht nur der Bund verfügt über ein E-Government-Gesetz, sondern auch nahezu alle Bundesländer. Heißt das, dass durch das E-Government das Fundament für die Verwaltungsdigitalisierung erfolgreich geschaffen wurde und man nun zu den neuen Ufern mit den Namen OZG oder digitale Souveränität aufbrechen kann? Die Analyse des Umsetzungsstandes ergibt ein ambivalentes Bild.
E-Government – was war das nochmal?
Um zu verstehen, was E-Government in Deutschland bedeutet, lohnt sich der Blick in die E-Government-Gesetze auf Bundes- und Länderebene. Diese unterscheiden sich zwar jeweils in ihrer Ausgestaltung, aber einige Themen tauchen immer wieder auf:
- Bereitstellung von Basisdiensten: Verwaltungen sind zur Einführung von Basis-Anwendungen verpflichtet. Dazu zählen z. B. Zahlverfahren, eID-Funktionen und Formularserver.
- Interoperable Lösungen: Eingesetzte Anwendungen müssen den Datenaustausch mit anderen Systemen aller Verwaltungsebenen ermöglichen.
- Barrierefreiheit: Die in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) festgeschriebene produktorientierte Barrierefreiheit bedeutet, dass Software wahrnehmbar, bedienbar und verständlich sein muss. Dies wird zunehmend durch Forderungen nach nutzerorientierter Barrierefreiheit flankiert, die hohen Usability-Ansprüchen genügt.
- Datenschutz: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schafft den Rahmen für Datenverarbeitung und Informationspflichten. Hinzu kommen bundeslandspezifische Datenschutzgesetze, die über die DSGVO-Regelungen hinausgehen.
Beschäftigt man sich intensiver mit E-Government, ist es zudem fast unmöglich, das Thema Standardisierung zu umschiffen. Fachliche und technische Standards schaffen die Voraussetzung für einheitliche und effiziente Prozesse in der Verwaltung. Dem zu Grunde liegt das Prinzip der Wiederverwendung von Komponenten und Methoden. Dabei handelt es sich nicht um eine gesetzliche Vorgabe. Dennoch ist der Druck zum flächendeckenden Einsatz von Standards hoch. Der XÖV-Ansatz bietet beispielsweise ein Rahmenwerk für systematische elektronische Datenübertragung in der Verwaltung. Setzt eine Verwaltung nicht auf Standards, läuft sie Gefahr, dass Handlungs- und Investitionsbedarfe immer größer werden.
Wo steht Deutschland im E-Government?
Aktuelle Studien zum E-Government attestieren weiterhin einen mäßigen Umsetzungsstand der gesetzlich formulierten Ziele. Zwar hat die Gesetzgebung hier einen Prozess ins Rollen gebracht, dieser gestaltet sich bislang jedoch zäh. Als Hinderungsgründe für ein besseres Zwischenfazit wird - auch durch die Bundesregierung selber - auf fehlendes Budget, den geringen Anteil an zentral entwickelten Lösungen und die ausbaufähige Digitalisierungskompetenz in der öffentlichen Verwaltung hingewiesen.
Ein großer Anteil an Verwaltungsverfahren ist immer noch durch Medienbrüche gekennzeichnet. Auch das Angebot an nutzerfreundlichen und ebenenübergreifenden Verwaltungsdienstleistungen ist überschaubar. Und selbst fundamentale Vorhaben wie die Bereitstellung von Basisdiensten hinken weiterhin hinterher. Erst gut die Hälfte aller Kommunalverwaltungen haben mehr als drei Basisdienste eingeführt. Damit sind insbesondere die Kommunen weit von wirkungsvollem E-Government entfernt. Das ist umso tragischer, da die laufende OZG-Umsetzung hier die Dynamik verstärkt und die Kommunalverwaltungen aufgrund ihrer vielfachen Bürgerschnittstellen vor großen Herausforderungen stehen. Bei der Umsetzung der Maßnahmen fehlt es an Nachdruck.
Fazit und Handlungsfelder
E-Government schafft die Grundlagen für die erfolgreiche Digitalisierung und Service-Orientierung von Staat und Verwaltung. Daher sollte die Umsetzung ernst genommen werden. Zudem sollte sie nicht als bloße Pflicht, sondern als Ausgangspunkt für einen umfassenden Transformationsprozess verstanden werden. In diesem Lichte lassen sich folgende Handlungsfelder ableiten:
- E-Government-Vorgaben zum Kern von Beschaffungen und Entwicklung machen: Sowohl bei der Beschaffung als auch bei der Entwicklung von Software muss die öffentliche Verwaltung die E-Government-Vorgaben als verpflichtende Kriterien verankern. Das sichert die Zukunfts- und Anschlussfähigkeit der eingesetzten Software. Auch Software-Hersteller wiederum sollten ein stärkeres Augenmerk auf Datenschutzkonformität, Barrierefreiheit und Interoperabilität legen.
- Auf Standards setzen: Fachliche und technische Standards stellen zwar keine verpflichtende Vorgabe dar, sind jedoch für einen effizienten und systematischen Datenaustausch im E-Government unerlässlich. Sie verbessern die fach- und ebenenübergreifende Interoperabilität von Software-Lösungen und reduzieren Entwicklungs- und Querschnittskosten.
- Digitalisierungsstrategien entwerfen und über die Grundlagen hinausdenken: Die gesetzlichen Vorgaben schaffen ein solides Fundament. Doch darüber hinaus besteht Gestaltungs- und Innovationsspielraum. Staat und Verwaltung sollten über alle föderalen Ebenen hinweg Strategien entwickeln, die klare Ziele formulieren und neben E-Government auch alle weiteren Digitalisierungsaktivitäten aufeinander abstimmen und integrieren.
- Vernetzungseffekte nutzen: E-Government geht alle Ebenen und Verwaltungseinheiten etwas an. Daher sollten Themen wie die Nachnutzbarkeit von Anwendungen sowie die gemeinschaftliche Projektierung von Digitalisierungsvorhaben Priorität genießen. Besonders die Kommunalverwaltungen können profitieren, wenn sie voneinander lernen und gemeinsame Vorhaben planen. Das gilt nicht nur für die OZG-Umsetzung.
Nur mit einem stark ausgebauten E-Government kann man der Entwicklungsdynamik bei der Verwaltungsdigitalisierung mit Stärke begegnen. In diesem Zuge wird die Schnittstelle zu den Bürgerinnen und Bürgern immer wichtiger. Daher betrachten wir in unserem letzten Artikel dieser Serie die OZG-Umsetzung.